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Hadas – Trauer, die auf ein Ende wartet

Teil 1 aus dem Zyklus: Facetten der Wiederherstellung (Witwen & Waisen)

von Brigitte B. Nussbächer

Hadas mit ihren Kindern

Als Tamir, am 7.10.2023 bei der Verteidigung des Kibbuz Nir Oz gegen die Hamas verschleppt und ermordet wurde, verloren Hadas und ihre Kinder die Liebe ihres Lebens und den Vater.

Bis heute wartet seine Familie auf die Rückgabe seiner Leiche – und sucht den Weg in die Zukunft.

Endlich!

Hadas & Sigal in Kiryat Gat

Im Cafe Lyon in Kiryat Gat (Israel) mit Hadas (links) und Sigal (mittig). Foto privat 

Beide haben bei dem Massaker der Hamas ihr Zuhause in Nir Oz verloren, ihr Umfeld, die Gemeinschaft und ihre Liebsten. Alles, was sie sich aufgebaut hatten, sämtliche Pfeiler ihres Lebens und alle Zukunftspläne sind an einem einzigen Tag zerstört worden.

Und jetzt sitzen wir mit diese beiden jungen Frauen zusammen. Schnell kommt ein Gespräch in Gang. Da wir schon viel über das, was in Nir Oz geschah, gehört haben, können wir die Puzzle-Teilchen gut zusammenfügen. Doch trotz allem Wissen: es ist nicht wirklich nachvollziehbar, wie brutal und endgültig sich das Leben an einem einzigen Tag ändern kann. Sie und ihre Kinder finden sich in einer völlig anderen Realität wieder, in der es nur um eines geht: jeden einzelnen Tag zu überstehen, einfach nur weiterzuleben.

Der 7. Oktober 2023 in Nir Oz

Das 1958 gegründete Kibbuz, 2 km von Gaza entfernt, gehört zu den am stärksten betroffenen Orten. Die Hälfte der Häuser sind verbrannt oder zerstört, nur fünf Häuser im gesamten Ort wurden nicht beschädigt. Jeder Vierte der rund 400 Einwohner wurde qualvoll ermordet oder entführt.

Es gibt erschütternde Aufzeichnungen von diesem Tag, die letzte Kommunikation von verzweifelten Menschen, die nicht verstehen was geschieht, die miterleben, wie Terroristen in ihre Wohnungen eindringen, deren Häuser angezündet und damit zu Todesfallen werden. Die um Hilfe flehen, die nicht kommt.

Verbranntes haus Nir Oz

Ausgebrannte Ruinen/  Foto privat

Das Sicherheitsteam des Ortes bestand aus sieben Personen und - der Theorie nach - sollten sie im Falle eines Überfalls die Einwohner verteidigen, bis nach 45 Minuten (so die Vorgabe) die Armee eintraf. Doch an diesem Morgen war alles anders. Zusätzlich zu dem Raketenhagel aus Gaza drangen mehrere Hunderte Terroristen in den Ort ein. Angesichts dieser aussichtlosen Lage versuchten manche der Mitglieder des Sicherteams, nach kurzem Kampf, in ihrem Bunker Rettung zu finden.

Tamir: Mut bis zuletzt

Tamir aus Nir Oz

Tamir, Hadas' Mann. Foto Hadas

Als die Armee endlich in Nir Oz eintraf, waren die Terroristen bereits zum nächsten Ort weitergezogen. Die Soldaten fanden nur Tod, Asche und unerträglichen Schmerz vor. Von den rund 400 Einwohnern waren 47 getötet und 79 entführt worden.

Hadas erzählt ihre Geschichte

Tamir und ich lernten uns 2010 kennen. Er gehörte der dritten Generation des Kibbuz Nir Oz an, war im Kibbuz geboren und aufgewachsen. Seine Vorfahren gehörten zu den Gründern. Ich selber komme aus Beer Sheva und mein Mädchenname ist Shwartz. Meine Großeltern stammten aus Deutschland und Österreich. Sie überlebten den Holocaust und wanderten nach Israel aus. Bei unserer Heirat zogen wir gemeinsam nach Nir Oz mit der Absicht, uns dort niederzulassen und unsere Kinder aufzuziehen.

Tamir arbeitete als Sozialleiter in der Ramon-Stiftung, einem Programm zur Förderung der persönlichen Entwicklung junger Menschen. 

Er wurde von seinen Kollegen sehr geschätzt und galt als Vorbild für die von der Stiftung unterstützten Kinder. 

Er lehrte sie, ihren Träumen zu folgen, und erfüllte sich in den letzten Jahren selbst den Traum, Landwirt im Kibbuz zu werden.

Unser Sohn Asaf (8) und unsere Tochter Neta (4) wurden beide im Kibbuz geboren, und wir alle fühlten uns da heimisch und schätzten diesen Ort sehr: die Ruhe, die wunderbaren Menschen, die herrlichen Blumen, die Freiheit.

Am 7. Oktober wurden wir durch den Klang von Sirenen geweckt. Tamir und ich brachten unsere Kinder in den Schutzraum. Kurz darauf ging Tamir nach draußen, um uns und unsere Freunde, Familie und alle Kibbuzniks vor der Hamas zu schützen. Er ahnte nicht, dass Hunderte in den Kibbuz eingedrungen waren. Ich blieb stundenlang mit Asaf und Neta im Schutzraum und ertrug den Schrecken, als ich hörte, wie die Terroristen in unser Haus eindrangen - schreiend, schießend, versuchend, in den Schutzraum einzubrechen und Verwüstung anzurichten. Ich fürchtete, wir würden getötet, lebendig verbrannt oder entführt werden, während ich mir Sorgen um Tamirs Schicksal machte.


Wie durch ein Wunder haben die Kinder und ich überlebt. Unser Bunker war einer der wenigen, die einen Riegel hatten. Das war unsere Rettung, denn es gelang der Hamas nicht, die Tür aufzubrechen. Wir verbrachten die Nacht im Kibbuz, weil es zu gefährlich war, ihn zu verlassen. Wir erhielten keine Nachricht über Tamir. Am nächsten Abend wurden wir von der israelischen Armee nach Eilat evakuiert, wo wir fast drei Monate lang in einem Hotel wohnten, zusammen mit der Mehrheit derjenigen, die das Massaker überlebt hatten und nicht als Geiseln genommen worden waren. Dort erfuhren wir, dass Tamir nach Gaza entführt worden war, aber wir hatten nur wenige Informationen über seinen Zustand. Wir versuchten, optimistisch zu bleiben und hofften auf seine sichere Rückkehr.


Im Januar 2024 wurden wir nach Kiryat Gat umgesiedelt. Einige Tage nachdem wir Eilat verlassen hatten, erfuhren wir, dass Tamir, der im Kampf gegen die Terroristen im Kibbuz verletzt und entführt worden war, noch am selben Tag an den Folgen der mangelnden medizinischen Versorgung gestorben war. Sein Leichnam wird immer noch in Gaza festgehalten, was uns daran hindert, ihn ordnungsgemäß zu beerdigen und einen Abschluss zu finden. Wir leben bis heute in einem Hochhaus in Kiryat Gat. Es ist ganz anders als im Kibbuz, aber ich bemühe mich, das Beste aus dem, was wir haben, für die Kinder zu machen.

Nir Oz im April 2025

 

Wir können Hadas` Sehnsucht nach Nir Oz gut verstehen. Vor vier Tagen waren wir mit unseren Freunden Shlomo und Smadar dort

Blühendes Nir Oz

Einst ein Paradies: Nir Oz - eine grüne Idylle. Foto privat

Das Blut ist zwar getrocknet und in den Boden versickert – aber es schreit immer noch zum Himmel, auch wenn man es nicht mehr sehen und riechen kann. Die Rauchschwaden haben sich verzogen, doch die Asche knirscht unter unseren Füssen. Die Schilderung des Kommandanten der Zakah Einheit (die nach Terroranschlägen die Todesopfer identifizieren und Körperteile und Blut für die Beerdigung aufsammeln), wie sie den Ort vorfanden, hallt in uns wieder. Heute noch steht man hier und das Gehirn weigert sich zu glauben, dass das, was sich dem Auge bietet, real ist. Absolut unvorstellbar, wie es direkt nach dem Überfall gewesen sein muss, als die Flammen noch flackerten, die Leichen noch glühten und der Boden blutgetränkt war!

Hadas Haus

Tamirs Haus. Foto privat

Wir stehen auch vor dem ehemaligen Haus von Hadas und Tamir. Und wir sehen den Gedenkstein für Tamir. Ein Freund von ihm hat festgehalten: „Dein Lächeln wird uns auch weiterhin den Weg erleuchten. Danke, dass du gekämpft hast, bis du nicht mehr konntest, in einer Schlacht, die von Anfang an verloren war. Du hast den Kibbuz, deine Familie und die Heimat, die du so sehr geliebt hast, geschützt.“ Heute ist klar: wäre er zusammen mit seiner Familie im verriegelten Bunker geblieben, hätte auch er überlebt. Aber viele andere vermutlich nicht. Dieses immense Opfer, dass er und seine Familie gebracht haben, versucht dieser kleine Stein festzuhalten und zu ehren!

Am Ende unseres Rundgangs blicken wir auf das nahe gelegene Gaza. Es gibt eine direkte Straße. Man braucht keine 5 Minuten für den Weg. 

Auf diesem Weg kamen hunderte von Terroristen und stürmten den Kibbuz. Hier wurden Tamir und weitere 78 Menschen tot oder lebend entführt. Später kamen dann unzählige Zivilisten aus Gaza, die den Ort plünderten, nachdem er verwüstet worden war.

Es ist die gleiche Straße, auf der Kibbuz Bewohner, die am 7. Oktober, ermordet und entführt wurden, früher kranke Gazaner in israelische Krankenhäuser gebracht hatten!

Trümmer eines Lebens

Hadas vor Ihrem Haus

Hadas mit Asaf und Neta vor ihrem zerstörten Haus. Foto Hadas

Die beiden fragen immer wieder nach, ob denn in Zukunft jemand da sein wird, um sie zu beschützen. Das Gefühl des Allein- und Ausgeliefertseins hat sich tief in ihr Bewusstsein gegraben. Sie haben Alpträume und geraten in Panik, wenn Hadas länger fort ist und befürchten, dass sie ihre Mutter auch plötzlich verlieren könnten. Nachdem ihr ganzes Lebensumfeld weggebrochen ist, ist Hadas ihr letzter Anker, ihr einziges Zuhause.

Suche nach der Zukunft

Hadas selbst bezeichnet an diesem Vormittag ihr Leben als „on hold“: in Wartestellung. Sie wartet darauf, sich wenigstens zu verabschieden. Sie kann keine Ruhe finden, denn es ist ungeheuer wichtig für sie, Tamir nach Hause zu bringen, um ihn in seinem Kibbuz zu begraben. Solange Tamirs Leiche nicht angemessen bestattet wird, werden die Wunden sich nicht schließen, es bleibt ein offener Riss in ihrem Leben.


Sie hat vor dem Massaker als Krankenschwester gearbeitet. Heute fühlt sie sich noch nicht wieder stark genug, um ihren Beruf aufzunehmen. Ihre Kraft reicht gerade für sie und die Kinder. Wenn sie arbeitet, möchte sie auch ganz für die anderen da sein.


Inzwischen geht der Alltag irgendwie weiter. Sie wohnen bis heute als Evakuierte mietfrei in einer Wohnanlage im Stadtteil Karmei Gat von Kiryat Gat, etwa 50 Kilometer nordöstlich von Nir Oz entfernt. Zusätzlicher Platz für bestimmte Kibbuz-Einrichtungen wie z.B. einen gemeinsamen Speisesaal, einen Kindergarten, die Jugendclubs, den Seniorenclub und eine Klinik wurde für die ehemaligen Bewohner von Nir Oz bereitgestellt. Doch es bleibt ein provisorischer Ort, kein Zuhause. Sie vermissen innerhalb der geschäftigen und dicht bewohnten Stadt das Grün und die Idylle des parkähnlichen Kibbuz, die eigenen Gärten, die Ruhe.

Hadas erzählt von den besseren und den düsteren Tagen. Auch ihre Miene spricht von diesem Hoch und Tief. Es gibt Augenblicke, da sind die Tränen ganz nahe, doch manchmal ist es, als ob ein Sonnenstrahl die Züge erhellt und für den Bruchteil einer Sekunde sieht man ein Lächeln, dass die Augen aufleuchten lässt. Und man kann sich vorstellen, wie sie früher war: voller Zuversicht und Lebensfreude.

Eine Mehrheit der Bewohner von Nir Oz stimmte Ende 2024 für den Wiederaufbau und die Rückkehr in den Kibbuz. Doch Hadas wünscht sich einen Neustart in einer neuen Umgebung.

Mit Hadas in Kiryat Gat

Wir werden Hadas zur Seite stehen. Foto privat

Die Geschichte von Hadas ist Teil des Zyklus: Facetten der Wiederherstellung. Brigitte Nussbächer und ihr Mann Harald Bottesch sind regelmäßig in Israel. Aktuell ist ihr Schwerpunkt Familien zu unterstützen, die von dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 direkt betroffen waren: Witwen und Waisen, Traumatisierte und Evakuierte. Bei ihrem letzten Israel-Einsatz im April 2025 haben sie erneut Betroffene besucht und Verbindungen mit spezialisierten Organisationen vor Ort geknüpft um spezifisch, langfristig und nachhaltig zu helfen.

Erstveröffentlichung: 25. April 2025

Copyright ©  Brigitte B. Nussbächer; Abdruck nur nach vorheriger Genehmigung

Hadas Kinder
5 x Davidstern

Endlich ist es so weit – endlich können wir Hadas in die Arme schließen, um ihr zu zeigen, wie sehr ihr Schicksal uns am Herzen liegt. Durch das Projekt, mit dem wir israelische Waisenkinder unterstützen, haben wir sie (über das Forum für Geiseln und Vermisste) kennen gelernt und stehen seit Monaten in Kontakt. Aber ohne sich persönlich kennen zu lernen, lag eine gewisse Abstraktheit über allem. Heute, am 8. April 2025 treffen wir uns am Vormittag in Kiryat Gat, dem Ort, in den sie evakuiert wurden, in einem Café. Es ist drückend heiß, die Luft voller Wüstenstaub.

Hadas ist ohne ihre Kinder gekommen und hat diesen neutralen Ort für ein erstes persönliches Aufeinandertreffen gewählt. Sie kommt nicht alleine, sondern zusammen mit Sigal, die ein ähnliches Schicksal teilt (über das ich zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls schreiben werde).

Die Terroristen der Hamas kannten den Ort sehr gut. Manche waren hier als Gastarbeiter beschäftigt, andere hatten Hilfe von den Einwohnern des Kibbuz erhalten. Friedensaktivisten aus Nir Oz hatten Kranke aus Gaza abgeholt, um sie in israelischen Krankenhäusern behandeln zu lassen. Doch was auch immer die Kibbuzniks für Frieden & Freundschaft taten - es machte keinen Unterschied.

Die Terroristen stürmten zuerst zum Haus des Kommandanten des Sicherheitsteams und schalteten ihn aus. Damit war nicht nur die Koordination der Verteidigung innerhalb des Kibbuz, sondern auch die Kommunikation mit der IDF zusammengebrochen.

Doch Tamir, Hadas‘ Mann, war anders. Er war einer der Ersten, der sich den Terroristen mit seiner Waffe entgegenstellte. Tamir betrachtete ganz Nir Oz als Familie. Er wollte alle schützen. Und so kam es für ihn nicht in Frage, sich zu seiner Familie in den Schutzraum zurückzuziehen. Zusammen mit wenigen anderen kämpfte er 2,5 Stunden lang und konnte so Leben retten. Es ist ein Szenario, das eigentlich unvorstellbar ist: wie sich ein paar Einzelne wider jede Wahrscheinlichkeit gegen eine derartige Mehrheit behaupten. Wie sie – dort wo sie waren – einen Unterschied machen und die Terroristen am hemmungslosen Morden hindern.

Wie sie viel länger als die vorgesehenen 45 Minuten aushalten. Und es zerreißt einem das Herz, sich vorzustellen, was Tamir gedacht und gefühlt haben muss, als die Armee nicht kam. Als der Freund an seiner Seite umgebracht und er selbst verwundet wurde. Als er blutend auf einen Lastwagen der Hamas geworfen und entführt wurde.

Da wo ein Garten Eden stand, stößt man heute auf ein verlorenes, verlassenes Paradies, durch das nur noch die Katzen der Familien, die hier wohnten, streunen. Dennoch, dank dem unermüdlichen Einsatz von Freiwilligen blüht und grünt es zwischen den verbrannten Häusern wie früher. Die Blumen duften und die Vögel singen von dem, was hier geschah. Ein schmerzlicher Kontrast.

Nir Oz war vermutlich der schönste Kibbuz an dieser Grenze; wie ein Park angelegt, ein Ort der Schönheit, der Lebensfreude.

Heute ist es, als würde man hier mit einem Fuß im Garten Eden und mit dem anderen in der Hölle stehen.

Tamir Gedenkstein
Tamir Gedenkstätte

Gedenkstein für Tamir. Foto privat

Im November 2024 fährt Hadas erstmalig mit ihren beiden Kindern wieder in den zerstörten Kibbuz. Ihr Haus besteht nur noch aus verkohlten Mauern und Fetzen hängen vom Dach. Sie sind gekommen, um Abschied zu nehmen. Denn sie kann es sich nicht vorstellen, nach all dem, was geschehen ist, wieder nach Nir Oz zu ziehen.

Zu viele grauenvolle Erinnerungen – und auch zu viel Angst vor einer Wiederholung. Die Grenze ist zu nahe. Der Schrecken der Pogrome ist wieder erwacht. Sogar mitten in Israel.

Sie und ihre Kinder besitzen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Auswandern möchten sie (noch) nicht. Doch, wie die meisten in Israel, denkt auch sie mittlerweile über Lebensalternativen nach, über Fluchtmöglichkeiten, Orte des Exils, in die sie sich im schlimmsten Falle retten können. Denn Hadas steht vor den Trümmern des Lebenstraums, an dem sie und Tamir arbeiteten.

Die Kinder, Asaf und Neta, verlangen verzweifelt nach ihrem Vater. Die Erklärung, dass er als Held starb, tröstet sie nicht. Asaf, meint unter Tränen: „Ich will meinen Vater, ich will keinen Helden in Gaza“.

Und es gibt eine Perspektive für sie: den Kibbuz Beit Nir, weiter weg von der Grenze entfernt. Die dortigen Einwohner haben zugestimmt, die 40-50 Familien, die nicht nach Nir Oz zurück möchten, aufzunehmen. Der Kibbuz soll erweitert werden und in rund zwei Jahren hoffen sie, dort ein neues Zuhause zu finden.

Sie ist glücklich über diese Aussicht und wird ihre ganze Kraft dafür einsetzen, für sich selbst und ihre Kinder ein neues Zuhause aufzubauen. Doch gleichzeitig wird sie weiter auf Tamir warten, dessen Leiche auch nach mehr als 1,5 Jahren immer noch in Gaza festgehalten wird und für seine Rückkehr kämpfen.


Wir werden sie dabei begleiten und ihre Last mittragen – so gut wir können.

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Zerstörtes Haus Nir Oz

Spuren der Zerstörung. Foto privat

Hadas Familie

Eine glückliche Familie 2023. Foto Hadas

Gedenkbank für Tamir. Foto privat

Weg nach Gaza

Straße nach Gaza. Foto privat.

Hadas Kinder

Hadas und ihr ihre Kinder. Foto privat

Wie wir das Wunder Israel erlebt haben

von Brigitte B. Nussbächer

Wir haben in Israel mit eigenen Augen wahrgenommen, wie Gott zu seinem Volk steht. Wir haben anhand von Fakten und Tatsachen gesehen, wie die Aussagen der Bibel Realität werden und wir haben überall im heutigen Israel Gottes in Erfüllung gehende Verheißungen erlebt.​

Vorausgegangen war eine eher mühsame Entscheidungsfindung. Israel einmal zu besuchen gehörte zur „Allgemeinbildung“ von Christen. Trotzdem hatte es mich nicht hingezogen und die Berichte derer, die von Reisen aus Israel zurück kehrten, hatten wenig dazu beigetragen, es zu ändern. Wenn sie von den sogenannten „Heiligen“ Stätten berichteten, fragte ich mich immer, was es mir denn bringen würde, diese Ruinen oder Gedenkkirchen anzusehen. Viel mehr interessierte mich, was Gott heute in der Gegenwart erlebbar machte.

Letztlich war es dann tatsächlich auch ein anderer Gedanke, der den Anstoß zu dem Besuch gab. 2018 feierten mehrere nach dem 2. Weltkrieg gegründete Staaten ihr 70. Jubiläum – darunter auch Israel. Nachdem wir Dokumentarfilme über Indien und Pakistan zu dem Thema gesehen hatten, fragte ich mich, wie wohl Israel diese 70 Jahre genutzt hatte. Im Vergleich zu den anderen Staaten musste es ungleich schwerer gewesen sein, aus dem Nichts etwas aufzubauen.  Noch 1867 hatte Marc Twain das Land als desolat, eine stille, traurige Weite ohne Mensch, Baum und Strauch bezeichnet. Was war daraus geworden?

Und so begaben wir uns auf eine geschichtliche Studienreise, was sich im Nachhinein als Volltreffer erwies. Nie hätten wir in einem Individualurlaub so viel erfahren und kennen gelernt.

Noch während wir vom Flughafen Ben Gurion nach Tel Aviv fahren, hören wir die Entstehungsgechichte dieser Stadt, von der Parzellverlosung an ein paar Dutzend Familien nördlich der jahrtausende alten Hafenstadt Jaffa im April 1909. Diese wollten auf den Sanddünen, die der niederländische Bankier Jacobus Kann gekauft hatte, die erste jüdische Stadt der Moderne bauen. Und dann fahren wir auch schon an den ersten Hochhäusern vorbei und nach Tel Aviv hinein, welches heute (rund 100 Jahre später) die modernste und weltoffenste Metropole des gesamten Nahen Ostens ist.


Im sehr originell und lebendig gestalteten Palmach Museum in Tel Aviv erfahren wir von dem beeindruckenden Kampf des jüdischen Volkes für seine Unabhängigkeit. Und von der Vorgeschichte: als die UN 1947 beschloss, das ehemalige britische Mandat in 2 Länder aufzuteilen: ein jüdisches und einen arabisches. Von dem Protest der Araber und von dem Druck, der auf die Juden ausgeübt wurde, diese Chance nicht zu nutzen. Von der Proklamation des jüdischen Staates durch David Ben Gurion am 14. Mai 1948 und von dem Angriff der 5 arabischen Länder Ägypten, Syrien, Jordanien, Irak & Libanon um Mitternacht am gleichen Tag.

Man muss sich die damalige Situation vergegenwärtigen. Ca. 650.000 Juden, viele von ihnen Holocaustüberlebende, die gerade erst das Grauen hinter sich gelassen hatten, versuchten Israel, welches als neugegründeter Staat keine Armee besaß, mit Gewehren, Maschinenpistolen und Granatwerfern gegen eine Mehrheit von 160 Millionen Arabern (ausgerüstet mit Panzern, Artillerie, Schützenpanzerwagen, Flugzeugen und Kriegsschiffen) zu verteidigen. Ein Verhältnis von 1 : 246!  Dabei wird einem die menschliche Ausweglosigkeit bewusst und dass das Überleben Israels ein Wunder ist.  Mit Tränen in den Augen verlasse ich das Museum. Jetzt verstehen wir, welch hohen Preis das jüdische Volk (nach der Auslöschung der 6 Millionen durch den Holocaust)  im Unabhängigkeitskrieg für seine Existenz bezahlt hat.

Umso mehr staunen wir über die Lebensfreude und Energie, die heute auf den Strassen Tel Avivs spürbar ist und die wir bei den Menschen, denen wir begegnen, erleben. Wir sehen die Fähigkeit dieses Volkes schnell aus dem Nichts etwas aufzubauen (sie haben weltweit die 2 höchste Anzahl von Start Ups), ihre Genialität Lösungen für scheinbar Unlösbares zu finden, wie zum Beispiel mit Wasserentsalzungsanlagen am Mittelmeer den Wassermangel zu beheben und durch computergesteuerte Tröpfchenbewässerung Plantagen in der Wüste anzubauen. Wir sind überrascht, dass Israel die zweithöchste Akademikerquote und die dritthöchste Patentquote der Welt hat und bewundern, dass 23% aller Nobelpreisträger aus diesem kleinen Volk, dass nur 0,2 % der Weltbevölkerung ausmacht, stammen.

Wir erleben ihre Kreativität sowie ihren Sinn für Kunst und Schönheit. Israel hat gemessen an der Anzahl der Einwohner die meisten Museen und Orchester per capita und liegt auf Platz 2, was die Anzahl der verlegten Bücher anbelangt. Wer hier ein Konzert besucht, wird einem sehr hohen künstlerischen Niveau und großer Begeisterung des Publikums begegnen.

Wir streifen durch Städte, Orte, Landschaften und sind beeindruckt: unglaublich was hier in nur 70 Jahren geschaffen wurde. Dort wo sich früher Sümpfe, Sanddünen und wüstes Land befanden, haben Pioniergeist, Innovation und Durchhaltevermögen überall blühendes Leben entstehen lassen. Israel ist das einzige Land, in dem die Wüste rückläufig ist, Millionen Bäume wurden gepflanzt und entlang der Autobahn blüht tropfenbewässerter Oleander. Aus dem armen Agrarstaat ist ein Land mit führender Technologie und einer starken Währung entstanden. Israel gehört heute zu den 10 einflussreichsten Ländern der Welt und liegt auch im Happiness Ranking vorne. (Siehe Grafik unten)

Je mehr Israelis wir persönlich kennen lernen, desto mehr schätzen wir ihre konstruktive Einstellung, ihre Dynamik und ihren Mut – trotz ihres bis heute andauernden Ringens um ihr Recht auf Existenz.

Wir hören von den Kämpfen im 6 Tage Krieg 1967, von der Befreiung der Altstadt Jerusalems und wie die Juden wieder Zugang zu ihrer heute heiligsten Stätte, der Westmauer, erlangten.

Und von dem „Tal der Tränen“, so benannt nach der anfänglich auswegslosen Situation im Jom Kippur Krieg 1973, als die syrische Armee mit über 1.000 Panzern im Norden Israels einbrach und von weniger als 200 Panzern auf israelischer Seite aufgehalten wurde.

Wir sehen den Wiederaufbau nach wiederholter Zerstörung, sei es nun die Hurva Synagoge in Jerusalem oder die Siedlungen in Gush Etzion.

 

Und wir nehmen wahr, dass selbst die häufigen Terroranschläge in dieser Gegend den Menschen weder die Lebensfreude noch den Lebensmut rauben können, auch wenn sie schmerzliche Verluste zu beklagen haben.

Wir erleben die „Wächter Israels“, die jungen Soldaten und Soldatinnen auf den Straßen, die für Sicherheit sorgen und lauschen den Zeugnissen von sogenannten „einsamen“ Soldaten, die freiwillig ihr Heimatland, Verwandte, Freunde und ein angenehmes Leben verlassen, um in der IDF (Israels Defence Forces) zu dienen. Tatsächlich spielt die IDF auch eine wichtige Rolle bei der Integration und der Schaffung eines gemeinsamen Nenners in der israelischen Gesellschaft.

Denn die Bevölkerungsvielfalt ist erstaunlich. Die Holocaust Überlebenden von überall aus Europa, die ca. 700.000 Juden, die nach Israels Gründung aus den umliegenden arabischen Ländern vertrieben wurden, die Einwanderung aus Afrika und die großen Aliyah-Wellen aus der ehemaligen Sowjetunion haben alle dazu beigetragen. Die Bevölkerungszahl Israels hat sich in den letzten 75 Jahren ver-14-facht (im Vergleich dazu hat sich die Weltbevölkerung in den letzten 50 Jahren „nur“verdoppelt).

Am liebsten hören wir jedoch die Geschichten von jenen, die freiwillig nach Israel kamen, weil sie es als ihre Aufgaben betrachten, dieses Land aufzubauen und sich mit großer Energie dafür einsetzen.

Was uns aber am allermeisten beeindruckt – und tatsächlich auch überrascht hat - ist die intensive, innige und lebendige Beziehung, die viele Juden zu Gott haben. Da uns in den säkularen, kirchlichen und freikirchlichen Kreisen, aus denen wir stammen, die Rolle und Bedeutung von Israel und dem Judentum nicht vermittelt worden war, weder als geistliche Wurzel noch für die Zukunft, waren wir implizit davon ausgegangen, dass so eine Beziehung zu Gott nur bei Christen möglich sei. Jetzt sahen wir mit eigenen Augen wie falsch diese Annahme war.

Heute weiss ich, dank dem erschütterndem Buch „Holocaust“ von Susanna Kokkonen, dass der christliche Glaube bewusst vom Judentum differenziert wurde, seit Kaiser Konstantin der Große die Anerkennung des Christentums als rechtmässige Religion einführte, sich aus politischen Gründen zum Oberhaupt der Kirche ernannte und das erste Konzil im Jahre 325 einberief. Er erklärte, dass die Juden für den Tod Jesu verantwortlich wären, also betrachtete man sie als „Gottesmöder“; verdammt und der Gnade Gottes und der Menschen unwürdig. Eine weitere Lehre dieser Zeit, die „Ersatztheologie“ besagt, dass Israel seine Rolle in Gottes Plänen verspielt hätte und die Christen nun das neue Israel seien. Die Kirchenväter vor und nach diesem ersten Konzil verleugneten den ewigen Bund zwischen Gott und den Juden systematisch, beziehungsweise glaubten, dass Gott diesen Bund aufgehoben hätte.

Der Einfluss dieser Lehren die seit über 1700 Jahren im Umlauf sind, ist erschreckend tiefgreifend. Im Grunde wurde hier schon die Legitimation für Judenhass und Judenverfolgung geschaffen, für Verleugnung und Ignoranz. Hier liegt der idelogische Ursprung von Inquisition, Progromen, Kreuzzügen und Holocaust.

Eine Konsequenz daraus war, das einerseits bei Übersetzungen versucht wurde, die Hinweise auf das Judentum auszulassen und andererseits bei vielen christlichen Themen der jüdische Ursprung nicht erwähnt wurde. Beispiele dafür sind christliche Feste, die alle ihr Äquivalent in den jüdischen biblischen Festen haben (z.B. Passah-Ostern, Schavuot-Pfingsten, Weihnachten-Chanukka) oder auch andere Bräuche: so zum Beispiel ist die jüdische Bar Mitzwa, bei der junge Erwachsene in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen werden, das Vorbild für Kommunion/Konfirmation/Jugendweihe - um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Das gleiche spiegelt sich auch in der Kunst. Wer z. B. durch die Uffizien von Florenz streift, (eines der berühmtesten Kunstmuseen der Welt mit Werken der Malerie und Bildhauerei von der Antike bis zum Spätbarock), stellt fest, dass es aus dem Alten Testament Bilder von Adam und Eva gibt. Das nächste große Thema ist die Ankündigung von Jesu Geburt. Alles was dazwischen liegt, ist ausgeblendet.

So sind sich viele bis heute des jüdischen Erbes nicht bewusst. Derek Prince, ein Bibellehrer unserer Zeit (und die, die mich schon lange kennen, wissen, dass ich jahrelang für Derek Prince Ministries gearbeitet habe), fasste es einmal so zusammen: Wir stehen tief in der Schuld des jüdischen Volkes.
Ohne dieses hätte die Gemeinde keine Patriarchen, keine Propheten, keine Apostel , keine Bibel und keinen Erlöser. Wenn uns all das fehlen würde, was gäbe es dann noch, was uns das Heil bringen könnte? Alle Nationen der Erde verdanken das Wertvollste an ihrem geistlichen Erbe den Juden.

Aber obwohl wir Derek Prince persönlich begegnet waren und viel von unserem Israel-Bild von seinen Worten geprägt war, mussten wir feststellen, dass auch wir Gefangene des Denkens der Kirchenväter waren. Auch wir hatten gedacht, dass die Juden verloren sein mussten, da man ja nur durch Jesus zum Vater kommen könne und übersahen dabei geflissentlich, dass Paulus in Römer 11 eindeutig sagt, dass Gott sein Volk nicht verstossen hat (Vers 1), dass er seine Gaben nicht zurück fordert und die Zusage seiner Erwählung nicht widerruft (Vers 29).

Und jetzt waren wir in Jerusalem und begegneten dem jüdischen Volk Israel erstmalig in seinem eigenen Land.

Was für uns ganz eindeutig wurde, war, dass die Gründung und das Überleben dieses Staates, seine schnellen Fortschritte und Errungenschaften, der Lebensmut und die Kraft, die man in so vielen Menschen in Israel beobachten kann, rational und menschlich nicht zu erklären sind, sondern auf eine besondere Energiequelle und Kraft zurück führen. Hier in Israel war Gott überall im Alltag erlebbar.

Seit über 2000 Jahren spricht die Bibel von einem lebendigen Gott, der Israel als sein Volk auserwählte und der verhieß, dies Volk nach seiner Zerstreuung wieder in das Land seiner Vorfahren zurück zu bringen und es besonders auszustatten. Dies jedoch auf einmal mit unseren eigenen Sinnen zu sehen, zu beobachten, veränderte uns.

Als wir am Ufer vom See Genezareth sassen, kam mir der Gedanke, dass Juden vorgeworfen wurde, Jesus nicht erkannt zu haben – obwohl doch das, was um ihn herum geschah, offensichtlich und eindeutig war … Und dass heute viele Christen das, was Gott in und mit Israel tut, nicht erkennen – obwohl es ebenso offensichtlich und eindeutig ist.

Wir begannen die Bibel mit anderen Augen zu lesen. Was wir bis dahin überlesen hatten, stach jetzt deutlich hervor.

Wenn man sich vergegenwärtig, dass Jesus in Matthäus 5,17 selber gesagt hat „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen“, dann kann man die Bedeutung von Israel und Jerusalem schwer überlesen.

Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird Errettung sein – steht in Joel 3,5

Und Sacharjia weissagt in Kapitel 8, 22: Menschen aus großen und mächtigen Völkern werden nach Jerusalem kommen, um den HERRN, den Allmächtigen, zu suchen und den HERRN gnädig zu stimmen.

Jesaja prophezeit in Kapitel 60, 2-3: Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir (Zion) geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Völker werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.

Wir haben in Israel mit eigenen Augen wahrgenommen, wie Gott zu seinem Volk steht. Wir haben anhand von Fakten und Tatsachen gesehen, wie die Aussagen der Bibel Realität werden und wir haben überall im heutigen Israel Gottes in Erfüllung gehende Verheißungen erlebt.

 

Die Bibel spricht in Sacharja 8,23 davon, dass „in jenen Tagen zehn Menschen aus Völkern mit lauter verschiedenen Sprachen einen Mann aus Juda am Rockzipfel festhalten werden und bitten: Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott bei euch ist“ - für uns sind diese Tage bereits angebrochen…die Beziehungen zu unseren jüdischen Freunden und die Verbindung zu Israel sind zu einer der wertvollsten Konstanten, einer Bereicherung und einer Quelle des Lernens in  unserem Leben geworden.

Davidstern grün
Flughafen Ben Gurion

„Bruchim haba'im le’Israel - Willkommen in Israel” klang die Stimme des Piloten aus den Lautsprechern und das Flugzeug rollte langsam zur finalen Position. Wir sahen neugierig aus dem Fenster. Was würden wir in diesem Land, über das so viel Widersprüchliches berichtet wird und dass es vor 100 Jahren noch nicht gab, vorfinden? Ich wusste damals nicht, vor welcher lebensverändernden Erfahrung ich stand!

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